Mehr als 3000 Bosch-Kolleginnen und Kollegen haben am 15. Juli in Stuttgart-Feuerbach mit einer Menschenkette für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und gegen die angekündigten Spaßmaßnahmen protestiert. Gekommen waren auch KollegInnen aus anderen Bosch-Standorten und Bosch-Töchtern, um gemeinsame Stärke zu zeigen. Trotz Regens, Kurzarbeit und Homeoffice kamen Beschäftigte aus den verschiedensten Bereichen: IT, Entwicklung, Verwaltung und Produktion. Mit einem Kilometerlangen Flatterband mit der Aufschrift „Solidarität gewinnt“ bildeten sie eine geschlossene Menschenkette zwischen dem Produktionswerk in Feuerbach und den Verwaltungsgebäuden hinterm Bahnhof. Laut Betriebsrat blicken an dem größten Bosch-Standort 14 500 Beschäftigte in eine ungewisse Zukunft.
Bereits 2019 hatte Bosch angekündigt, binnen zwei Jahren in Feuerbach und Schwieberdingen 1600 Arbeitsplätze abzubauen. Seit dieser Ansage gab es, verstärkt durch die Corona-Krise weitere Nachfrageeinbrüche. Von den 130.000 Beschäftigten bei Bosch deutschlandweit sind noch rund ein Drittel in Kurzarbeit. Der Großteil davon ist im Unternehmensbereich Mobility Solutions (Kfz-Sparte) beschäftigt. Dieser macht rund 60 Prozent des Konzernumsatzes aus. Bei Bosch-Sicherheitssysteme dagegen brummt das Geschäft und sie stecken bis zum Hals in Arbeit, berichteten Kollegen aus dieser GmbH.
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ist noch bis Jahresende Kurzarbeit möglich. Für die Beschäftigten in Verwaltung, IT-Bereichen, Entwicklung und Vertrieb will Bosch dagegen auf Arbeitszeitverkürzungen setzen. Zur Zeit laufen Gespräche für eine zeitnahe Regelung - gültig von August bis zum Jahresende.
Frank Sell, Betriebsratsvorsitzender in Feuerbach und Bosch-Gesamtbetriebsratschef, sagt: „Wir akzeptieren keine betriebsbedingten Kündigungen. Die Last der Transformation darf nicht einseitig auf den Schultern der Arbeitnehmer liegen“. Er setzt auf eine temporäre Arbeitszeitabsenkung als Alternative zum Personalabbau. „Eine Vier-Tage-Woche beispielsweise ermöglicht Arbeitnehmern eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Gleichzeitig werden Personalkosten gesenkt“, so Sell. Denn einen Lohnausgleich soll es für die Arbeitszeitverkürzung nicht geben. Kollegen erzählen, dass die 35-Stünder auf 32 abgesenkt werden sollen, die 40-Stünder auf 36 Stunden. Sie sind allerdings sauer, dass in einem ersten Schritt nicht alle 40 Stünder auf die tarifliche Wochenarbeitszeit in der Metallindustrie, also die 35 Stunden abgesenkt werden. Für sie wäre dies gerechter.
An einer im Vorfeld von den Betriebsräten und der IG Metall durchgeführten Befragung der Mitarbeiter am Standort Feuerbach haben sich mehr als 3.000 Mitarbeiter beteiligt. Fast 90% der Beschäftigten geben darin an, dass ihnen ein sicherer Arbeitsplatz in dieser Situation am wichtigsten sei. Axel Petruzzelli, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in Feuerbach, erklärt, dass die Mitarbeiter am Standort stark verunsichert seien: „Es wird derzeit von der Firmenseite nur über Sparmaßnahmen und Personalabbau gesprochen. Das hat zur Folge, dass große Teile der Belegschaft um ihren Platz im Unternehmen und ihr Einkommen bangen. Wir fordern, dass mit dem Betriebsrat endlich wieder über Investitionen und Zukunftsperspektiven gesprochen wird."
Die Situation bei Bosch ist ähnlich wie in vielen Betrieben der Autoindustrie bzw. ihrer Zulieferer. Ein gemeinsamer Widerstand ist dringend notwendig. Die IG Metall in Baden-Württemberg hat vor einigen Wochen die Kampagne „Solidarität gewinnt“ gestartet. Ein Teil dieser Kampagne sind die zur Zeit laufenden Aktionswochen. Auch in anderen Betrieben gab es Proteste. Nach den Sommerferien sollen die Proteste ab September weitergehen, um in einem zentralen Aktionstag im Herbst gebündelt und zugespitzt zu werden. Das ist unterstützenswert. Notwendig ist, als zentrale und verbindende Forderung Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohnausgleich auf die Tagesordnung zu setzen, kraftvolle gemeinsame Kämpfe zu führen und über alternative Produkte in Diskussion zu kommen.


Christa Hourani

 

 

 

Bericht des Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart (AABS):

Das Thema gesellschaftlicher und struktureller Rassismus ist in letzter Zeit präsent wie nie. Nach den Ausschreitungen vergangener Woche wollte die AfD, die sowieso schon rassistische Stimmung in Stuttgart für ihre Hetze nutzen. Um genau diese Hetze zu verbreiten hat der Landesverband der AfD Baden Württemberg heute eine Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt gemacht. Dagegen trugen bis zu 500 AntifaschistInnen ihren Protest auf die Straße.

Begonnen hatte der Tag mit einer Kundgebung von Stuttgart gegen Rechts auf dem Marktplatz. Nach drei kurzen Reden schlossen sie die TeilnehmerInnen dem lautstarken, direktem Protest an. Mit einer Spontandemonstration sind wir über die Königstraße zu den Eingängen zur Kungebung gezogen. Auch wenn diese durch die Polizei großräumig abgesperrt wurden und die Polizei zwei Wasserwerfer aus Rheinland-Pfalz, Pferdestaffeln und mehrere Hundertschaften angekarrt hat, gelang es uns zeitweise bis zu drei Eingängen zu blockieren. So wurde nicht nur einigen AfD‘lern der Zugang erschwert, sondern die AfD-Kundgebung auch über die gesamte Dauer von zwei Stunden lautstark gestört. Obwohl Weidel zur Abreise ihre Anhänger noch ermahnte, Parteisymbole nicht offen zu tragen, gelang es Antifas vereinzelt, AfD‘ler auch bei der Abreise zu stören.

Wie so oft wurden zwei SSB-Busse auf dem Schillerplatz bereit gestellt, um die Rechten gesammelt von der Kundgebung zu fahren. Auch wenn die Busse am Ende „nur“ zur Ablenkung eingesetzt wurden, hat die Stadt wiedereinmal gezeigt wessen Interessen sie allzu oft verteidigt, während Gegenproteste schikaniert werden. Abgeschlossen haben wir den Tag nochmals mit einer Spontandemonstration durch die Stuttgarter Innenstadt. Polizeivize Berger war es hier wohl besonders wichtig, nach seinem „Versagen“ am letzten Samstag, zumindest dieses Wochenende einen Kontrollverlust zu vermeiden. Hierfür setzte er sich mit persönlichem Filmteam regelrecht in Szene.

Bereits einmal organisierte der Landesverband unter Vorsitzenden und Partei-Schwergewicht Alice Weidel eine kurzfristige Kundgebung in Stuttgart. Mit vermehrten Auftreten in der Öffentlichkeit versucht sie, den tief zerstrittenen Landesverband unter ihre Fittiche zu bringen. Auffällig ist hier, dass die Stuttgarter AfD bereits gestern eine „Parallelkundgebung“ organisierte und heute in großen Teilen der Kundgebung Weidels fernblieb. Mit ihrer Hetze verstärkt die AfD das gesellschaftliche Klima, das verantwortlich für die rassistische Gewalt ist die MigrantInnen tagtäglich trifft.

Doch nicht nur die AfD verschärft mit ihrer rassistischen Hetze das gesellschaftliche Klima. Die ganze Woche überboten sich „Law & Order“ Politiker, von der CDU bis zum rechten Flügel der SPD, mit ihren Forderungen. Vorne mit dabei Baden-Württembergs Innenminister Strobl, der gerade an einer Verschärfung des Polizeigesetzes arbeitet und jetzt noch einmal eins drauf setzen will.

Für uns als AntifaschistInnen bedeutet das, gerade jetzt auch antirassistische Praxis zu entwickeln und mit dem Kampf gegen Faschismus zu verbinden. In Stuttgart zeigt sich die Notwendigkeit gerade sehr deutlich: am Wochenende sind Hundertschaften einzig damit beschäftigt Leute, meistens MigrantInnen, in der Innenstadt zu kontrollieren. Dieses martialische Auftreten verschärft den Unmut der Betroffenen nur noch weiter, wodurch ein Interesse am Widerstand gegen Rechts zunimmt. So schlossen sich gestern und auch heute spontan vor allem junge Menschen unseren Protesten an. Diesen Unmut müssen wir mit einer Perspektive im Kampf gegen Rassismus und rechte Hetze verbinden.

 

 

 

 

Erklärung der SDAJ Stuttgart vom 17.06.2020:

Vor zwei Tagen (15.06.2020) ist der Verfassungsschutzbericht 2019 für Baden-Württemberg erschienen, in welchem der Verfassungsschutz in einem extra Kapitel über „verstärkte Werbung der SDAJ an Schulen“ warnt.

Die Warnung: Wir würden mit Schülervertretungen zusammenarbeiten, in der Nähe von Schulen Stickern und Plakatieren und eine Zeitschrift mit dem Namen „Roter Spickzettel“ herausgeben. Wir seien kapitalismuskritisch, gegen das Schulsystem und für eine sozialistische Gesellschaft. Und haben laut Verfassungsschutz mit dieser Art der Mitgliedergewinnung sogar noch Erfolg.

Und ja es stimmt: Wir sind an mehreren Schulen in Stuttgart aktiv, unterstützen die SMVen und sind gegen den Kapitalismus, welcher dazu führt, dass immer mehr SchülerInnen an Leistungsdruck zerbrechen oder in kaputten Schulgebäuden sitzen. Und ja: Unserer Meinung nach gehört dieses System gestürzt.

Dass wir schon länger ein Dorn im Auge des Verfassungsschutzes oder rechten Parteien sind, ist uns bekannt. So werden wir immer öfter in Anfragen der AfD im Landtag erwähnt (u.a. weil wir bei Fridays for Future mit Menschen reden) und der Verfassungsschutz verschickt Warnungen über uns an alle Schulen in Baden-Württemberg. Ein Genosse von uns, welcher in einer Einrichtung des Jugendamts wohnte, wurde regelrecht von seinen Betreuern aufgrund seiner Mitgliedschaft in der SDAJ drangsaliert. Und erst 2017 kam es in Stuttgart und im Kreis Rottweil zu zwei Anquatschversuchen des Verfassungsschutzes gegenüber GenossInnen von uns.

Was uns dieses mal aber wirklich abfuckt ist, dass der Verfassungsschutz über Informationen verfügt, welche er nur durch LehrerInnen erhalten haben kann. Unsere Genossin Julia (Name geändert) sagt dazu: „Der Lehrer, der mir in Geschichte beibringt, wie schlimm Bespitzelung in der DDR war, hat mich beim Verfassungsschutz angeschwärzt“. Schon öfters wurden auch Mitglieder und aktive Schülervertreter von uns zu Gesprächen mit der Schulleitung und ihren LehrerInnen eingeladen, um ihnen zu erklären wie schlimm die SDAJ sei und dass sie sich damit angeblich die Zukunft verbauen würden. Stattdessen solle man den Kontakt zu uns abbrechen und sich wieder auf die Schule konzentrieren. Den SchülerInnen soll dadurch Angst gemacht werden sich für ihre Rechte einzusetzen und sich mit uns auseinanderzusetzen.

Dabei sagen wir als SDAJ klar in unserer Schüli-Kleinzeitung: „Wir müssen uns mit den Lehrkräften für eine Schule einsetzen, in der es nicht ums aussortieren per Noten, sondern ums gemeinsame Lernen und sinnvolles Feedback geht.“ Denn schließlich haben SchülerInnen und LehrerInnen dieselben Interessen und müssen gemeinsam für ihre Rechte und ein anderes, ein besseres Bildungssystem kämpfen.

Viele LehrerInnen stehen jedoch auch hinter uns. So haben uns LehrerInnen über E-Mails des Verfassungsschutzes informiert und auch in der DKP schließen sich in der „Branchengruppe Bildung und Erziehung“ immer mehr LehrerInnen zusammen, um gegen dieses Bildungssystem vorzugehen.

Während es in anderen Bundesländern teilweise Normalität ist, dass sich SMV und SDAJ gemeinsam für ihre Rechte einsetzen, versucht der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg einen Keil zwischen uns SchülerInnen zu treiben, um so zu verhindern, dass wir gemeinsam für unsere Interessen aktiv werden. Währenddessen können Nazis in Baden-Württemberg ungehindert aufmarschieren und die Polizei prügelt ihnen noch den Weg frei. Nicht zu vergessen seien die Todeslisten, welche von Nazis über mehrere Jahre im Internet verbreitet wurden oder die NSU Akten welche für 120 Jahre verschlossen bleiben.

Dies zeigt klar auf wessen Seite der Verfassungsschutz steht!
Deshalb sagen wir als SDAJ: Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft!

Wir verurteilen den Angriff auf die Meinungsfreiheit, lassen uns nicht einschüchtern und werden weiterhin an Schulen aktiv bleiben!

Wer kein Bock hat sich von Schulleitung und Verfassungsschutz zum Schweigen bringen zu lassen, sollte aktiv werden. Wir laden alle SchülerInnen ein sich selbst eine Meinung über die SDAJ zu bilden.

 

Am 20. Juni jährt sich der Todestag von Liselotte, kurz Lilo, Herrmann. Sie war eine kommunistische Widerstandskämpferin gegen den deutschen Faschismus und unter anderem auch in Stuttgart aktiv. Schon früh engagierte sie sich in kommunistischen Jugendgruppen und trat 1931 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. An der technischen Hochschule Stuttgart studierte sie Chemie und anschließend Biologie in Berlin. Für ihre politische Arbeit wurde sie zusammen mit 110 anderen Studierenden der Universität verwiesen. 1934 wurde ihr Sohn Walter geboren, doch er konnte seinen Vater, den Stuttgarter KPD Funktionär Fritz Rau, nie kennenlernen, da ihn die Gestapo 1933 bereits im Gefängnis ermordete.
Lilo zog zurück nach Stuttgart, wo sie weiterhin im Untergrund im antifaschistischen Widerstand kämpfte. Sie leitete beispielweise wichtige Informationen über Rüstungsprojekte der Nazis an KommunistInnen in der Schweiz weiter.
Im Dezember 1935 wurde sie verhaftet und blieb bis zu ihrem Prozess inhaftiert. Trotz zahlreicher Verhöre und erschwerten Haftbedingungen schützte sie ihre GenossInnen und gab den Faschisten keine Informationen.
Am 20. Juni 1938 wurde Lilo hingerichtet.

Gedenkkultur ist nicht nur an einem Tag im Jahr wichtig, sondern sollte in unserem politischen Handeln stets bei uns sein. Wir wollen, nicht nur an Lilo und ihren Kampf erinnern, sondern ihn auch weiterführen. Es ist wichtig antifaschistische Geschichte sichtbar zu machen!
Auch heute zeigt sich immer wieder, dass Rassismus und Faschismus tödlich sind. Gerade in der aktuellen Rechtsentwicklung, zeigt Lilo Herrmanns mutiges Handeln, dass unser Kampf trotz widriger Umstände weitergeführt werden muss.
Kommt deshalb am Samstag, den 20. Juni um 12 Uhr zum Gedenkstein im Unipark (Universitätsgelände Stadtmitte, Keplerstraße 7) und lasst uns gemeinsam Lilo Gedenken.
Erinnern heißt Kämpfen!

 

Facebookveranstaltung: facebook.com/events/275101910514387


Aktionsbündis 8. März Stuttgart
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region
DKP Stuttgart
Linkes Zentrum Lilo Herrmann
VVN-BdA Kreisvereinigung Stuttgart

 

Kurzer Video-Clip:
youtube.com/watch?v=m-DPm4tnu6s&feature=youtu.be


Broschüre des Linken Zentrum Lilo Herrmann:
linkeszentrumstuttgart.org/wp-content/uploads/2017/10/ll-broschuere-onlineversion.pdf