Knapp 12 000 US-Soldaten sollen nach jetzigem Stand aus Deutschland abgezogen werden, davon sollen 6400 in die USA zurückgeholt und 5600 in andere europäische Länder verlegt werden. Das sind Italien, Polen (entspr. Vereinbarungen vorausgesetzt) und Belgien. Die US-Kommandozentralen in Stuttgart sollen verlegt werden, das Eucom nach Mons in Belgien und das Africom an einen noch nicht feststehenden Ort, evtl. in die USA.
Der Stuttgarter Mieterverein sieht das als Chance. Der Vorsitzende hat OB Fritz Kuhn (Grüne) ange-schrieben und ihn aufgefordert, die Chance, die ein Abzug der Truppen böte, zu nutzen, um bezahlba-ren Wohnraum zu schaffen. Die Militärareale der US-Streitkräfte (incl. Wohnanlagen) belegen nach seiner Aussage 184 Hektar in Stuttgart. Die Stadt hätte eine seltene Gelegenheit, mit der Lösung ihres Wohnungsproblems einen großen Schritt weiter zu kommen. Allerdings nur, wenn sich die Stadt endlich entschließt, dies als ihre eigene Aufgabe zu betrachten. Und das hängt entscheidend davon ab, wem die Flächen gehören.
Auch aus Sicht von Friedensaktivisten in Stuttgart wird dies verständlicherweise als erfreuliches Ereignis bezeichnet. Die Stuttgarter Friedensbewegung und die DKP haben jedoch nicht für eine Verlegung sondern für die Schließung der US-Kommandozentralen gekämpft, z.B. unter dem Motto „Eucom und Africom schließen! Von Stuttgart muss Frieden ausgehen!“ oder „Eucom und Africom schließen! Platz schaffen für Wohnungen, Kitas und Kultur statt Kriegsinfrastruktur!“.
Am 75. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki darf uns die Freude über frei werdende Flächen und darüber, dass Stuttgart im Kriegsfall nicht mehr primäres Ziel eines Gegen-schlags wäre, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gefahr eines atomaren Massengrabs lediglich verlagert wird.
Was sind die Hintergründe dieser Entscheidungen und wie sind sie einzuschätzen?
Trump hatte seinen Plan („Strafaktion“) ausdrücklich damit begründet, dass Deutschland seine Verpflichtungen für den Nato-Etat nicht erfülle und noch immer keine zwei Prozent seines Etats für die „Verteidigung“ ausgebe, wobei die BRD im letzten Jahr den Horrorbetrag von über 50 Mrd. € für Rüstung ausgab. Belgien zahlt weniger: 0,93 Prozent.
US-General Tod Wolters, Chef vom Eucom, Nato-Oberbefehlshaber und ausdrücklicher Befürworter einer flexiblen atomaren Erstschlagsstrategie, sagte zu den geplanten Verlagerungen: „Die vom U.S. EUCOM (...) verfolgte Strategie erfordert eine immer schnellere Anpassung der Positionierung und sämtlicher Aktivitäten der US-Truppen in Europa an sich ändernde Gegebenheiten. (...) Wie Verteidigungsminister Esper bereits ausgeführt hat, sollen durch die beabsichtigten Umgruppierungen die Abschreckung Russlands verbessert, die NATO gestärkt und die strategische Flexibilität der US-Streitkräfte und des EUCOM erhöht werden.“
Es geht also im Kern um die Erhöhung der strategischen Flexibilität der US-Streitkräfte, eine weitere Steigerung der Konfrontation mit Russland und womöglich eine Umverlagerung von Kapazitäten gegen die VR China.
Klar ist auch, dass die zwischenimperialistischen Widersprüche weiter eskalieren. Entsprechend sind die Reaktionen der Bundesregierung, die offenbar nicht vorher informiert wurde. Nicht nur Wolfgang Ischinger, Organisator der Münchner „Sicherheitskonferenz“, reagierte mit der Aussage, dass Europa mehr Eigenverantwortung übernehmen müsse. Dies gilt es in nächster Zeit noch genauer zu analysieren.
Vom IMI (Informationsstelle Militarisierung) kam der wichtige Hinweis, dass die Teilverlagerung von US-Truppen nach Polen, falls entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen werden, der endgültige Sargnagel für die Nato-Russland-Akte wäre.
Womöglich könnte sich der Abzug als Aufrüstungs- und weiteres Kriegsvorbereitungsvehikel entpuppen.
Sicher ist das alles noch ziemlich umstritten und als vorläufig zu betrachten vor den Präsidentschaftswahlen in den USA, aber die globalen Kräfteverschiebungen gehen weiter …
Eine internationale Beratung mit anderen KPen in Europa dazu wäre wohl sinnvoll.


Weitere Texte dazu:
imi-online.de/2020/07/30/us-truppenabzug-luftnummer-oder-aufruestungsvehikel

luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_19/LP06020_310720.pdf

 

 

 

 

 

 

 

Im Rahmen der Stuttgarter Aktionswochen gegen Atomwaffen findet eine Gedenkkundgebung anlässlich des 75. Jahrestags des Atombombenabwurfs auf Hiroshima statt:


Weitere Informationen zum Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki unter:
atomwaffena-z.info/geschichte/einsatz-von-atomwaffen/hiroshima

 

Die Ausstellung "Die Würde des Lebens beschützen, für eine Welt ohne Atomwaffen" kann noch bis zum 6. August 2020 von Mo. bis Fr. bis 18.00 Uhr angesehen werden.


Weitere Infos zu den Aktionswochen: friedenstreff-nord.de/fuer-eine-welt-ohne-atomwaffen
Dort gibt es auch einen Video von der Eröffnungsveranstaltung am 7. Juli sowie von der Radiosendung am 9. Juli mit Aktivistinnen aus Mutlangen.


Spenden:
DFG-VK Ba-Wü, IBAN DE59 4306 0967 4006 1617 39,
BIC GENODEM1GLS
"Aktionswochen gegen Atomwaffen"

 

Am 18. Juli protestierten Beschäftigte und weitere UnterstützerInnen gegen die Schließung von Karstadt Sport in Stuttgart. „Zukunft statt Kahlschlag!“ – so die Forderung von den Beschäftigten und verdi. Der Protest startete zur symbolträchtigen Uhrzeit „Fünf vor Zwölf“. Rund 30 Kolleginnen und Kollegen sind von der Schließung betroffen. Begrüßt wurde von den ca. 50 Protestierenden die Nachricht, dass weitere 6 Filialen doch nicht geschlossen werden. Durch die vielen Proteste der letzten Wochen in vielen Städten konnte so ein kleiner Erfolg erzielt werden. Das ermutigt die Betroffenen, den Kampf weiter zu führen. Die zuständige verdi-Sekretärin Sidar Carman kritisierte René Benko scharf. Statt sich um ein tragbares Zukunftskonzept für das Handelshaus zu kümmern, würde ihn nur „die Rendite für die Immobilie“ interessieren. Die Belegschaft habe „bereits mit Lohnkürzungen, Tarifflucht und dem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt“. Jetzt zeige sich, „wie anderswo auch, dass Lohnverzicht keine Arbeitsplätze rettet, denn hier zählt der Profit mehr als die Menschen“. Die im Raum stehende 700 € Abfindung pro Person nannte sie „eine Unverschämtheit“.

 

 

 

 

 

 

 


Mehr als 3000 Bosch-Kolleginnen und Kollegen haben am 15. Juli in Stuttgart-Feuerbach mit einer Menschenkette für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und gegen die angekündigten Spaßmaßnahmen protestiert. Gekommen waren auch KollegInnen aus anderen Bosch-Standorten und Bosch-Töchtern, um gemeinsame Stärke zu zeigen. Trotz Regens, Kurzarbeit und Homeoffice kamen Beschäftigte aus den verschiedensten Bereichen: IT, Entwicklung, Verwaltung und Produktion. Mit einem Kilometerlangen Flatterband mit der Aufschrift „Solidarität gewinnt“ bildeten sie eine geschlossene Menschenkette zwischen dem Produktionswerk in Feuerbach und den Verwaltungsgebäuden hinterm Bahnhof. Laut Betriebsrat blicken an dem größten Bosch-Standort 14 500 Beschäftigte in eine ungewisse Zukunft.
Bereits 2019 hatte Bosch angekündigt, binnen zwei Jahren in Feuerbach und Schwieberdingen 1600 Arbeitsplätze abzubauen. Seit dieser Ansage gab es, verstärkt durch die Corona-Krise weitere Nachfrageeinbrüche. Von den 130.000 Beschäftigten bei Bosch deutschlandweit sind noch rund ein Drittel in Kurzarbeit. Der Großteil davon ist im Unternehmensbereich Mobility Solutions (Kfz-Sparte) beschäftigt. Dieser macht rund 60 Prozent des Konzernumsatzes aus. Bei Bosch-Sicherheitssysteme dagegen brummt das Geschäft und sie stecken bis zum Hals in Arbeit, berichteten Kollegen aus dieser GmbH.
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ist noch bis Jahresende Kurzarbeit möglich. Für die Beschäftigten in Verwaltung, IT-Bereichen, Entwicklung und Vertrieb will Bosch dagegen auf Arbeitszeitverkürzungen setzen. Zur Zeit laufen Gespräche für eine zeitnahe Regelung - gültig von August bis zum Jahresende.
Frank Sell, Betriebsratsvorsitzender in Feuerbach und Bosch-Gesamtbetriebsratschef, sagt: „Wir akzeptieren keine betriebsbedingten Kündigungen. Die Last der Transformation darf nicht einseitig auf den Schultern der Arbeitnehmer liegen“. Er setzt auf eine temporäre Arbeitszeitabsenkung als Alternative zum Personalabbau. „Eine Vier-Tage-Woche beispielsweise ermöglicht Arbeitnehmern eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Gleichzeitig werden Personalkosten gesenkt“, so Sell. Denn einen Lohnausgleich soll es für die Arbeitszeitverkürzung nicht geben. Kollegen erzählen, dass die 35-Stünder auf 32 abgesenkt werden sollen, die 40-Stünder auf 36 Stunden. Sie sind allerdings sauer, dass in einem ersten Schritt nicht alle 40 Stünder auf die tarifliche Wochenarbeitszeit in der Metallindustrie, also die 35 Stunden abgesenkt werden. Für sie wäre dies gerechter.
An einer im Vorfeld von den Betriebsräten und der IG Metall durchgeführten Befragung der Mitarbeiter am Standort Feuerbach haben sich mehr als 3.000 Mitarbeiter beteiligt. Fast 90% der Beschäftigten geben darin an, dass ihnen ein sicherer Arbeitsplatz in dieser Situation am wichtigsten sei. Axel Petruzzelli, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in Feuerbach, erklärt, dass die Mitarbeiter am Standort stark verunsichert seien: „Es wird derzeit von der Firmenseite nur über Sparmaßnahmen und Personalabbau gesprochen. Das hat zur Folge, dass große Teile der Belegschaft um ihren Platz im Unternehmen und ihr Einkommen bangen. Wir fordern, dass mit dem Betriebsrat endlich wieder über Investitionen und Zukunftsperspektiven gesprochen wird."
Die Situation bei Bosch ist ähnlich wie in vielen Betrieben der Autoindustrie bzw. ihrer Zulieferer. Ein gemeinsamer Widerstand ist dringend notwendig. Die IG Metall in Baden-Württemberg hat vor einigen Wochen die Kampagne „Solidarität gewinnt“ gestartet. Ein Teil dieser Kampagne sind die zur Zeit laufenden Aktionswochen. Auch in anderen Betrieben gab es Proteste. Nach den Sommerferien sollen die Proteste ab September weitergehen, um in einem zentralen Aktionstag im Herbst gebündelt und zugespitzt zu werden. Das ist unterstützenswert. Notwendig ist, als zentrale und verbindende Forderung Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohnausgleich auf die Tagesordnung zu setzen, kraftvolle gemeinsame Kämpfe zu führen und über alternative Produkte in Diskussion zu kommen.


Christa Hourani