Am 8. März 2023, dem internationalen Frauentag, waren wieder weltweit Millionen Frauen gegen Unterdrückung und Ungleichbehandlung, für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für eine gleichberechtigte und solidarische Gesellschaft auf der Straße. Die ersten Demonstrationen am Mittwoch fanden unter anderem in Thailand und Indonesien statt. Schwerpunkt dort waren Gesetze zum Schutz von Hausangestellten. In Kabul versammelten sich Frauen, um gegen die drastisch eingeschränkten Rechte auf Bildung, Arbeit und Schulbesuch durch die Taliban zu demonstrieren. In den USA ging es um die Verteidigung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. In anderen Staaten Nord- und Südamerikas richteten sich die Demonstrationen gegen die grassierende Gewalt an Frauen und die extrem hohe Zahl von Femiziden, von Frauenmorde. Je nach politischer Situation im Land gab es unterschiedliche Schwerpunkte. Sie zeigen, wie viele frauenspezifische Themen an diesem Internationalen Frauentag weltweit unter den Nägeln brennen, Lebenssituationen, die seit Jahrzehnten, zum Teil Jahrhunderten immer noch benachteiligen, unterdrücken und Frauenarmut verursachen.
Dieses Jahr hatte verdi bundesweit zu Streiks in Kindertagesstätten und sozialen Einrichtungen am 8. März aufgerufen, in einigen Städten auch noch andere Bereiche des Öffentlichen Dienstes. Laut ver.di haben rund 70.000 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt. In vielen Städten gab es gemeinsame Kundgebungen und Demos der Streikenden mit der feministischen Bewegung. Zehntausende waren gemeinsam auf der Straße und haben diesen Tag zu einem kämpferischen Tag für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen gemacht.
In Stuttgart hatte das Aktionsbündnis 8. März, verdi, die DGB-Frauen und viele Frauengruppen unter dem Motto: „Die Krisen stecken im System – feministisch streiken weltweit!“ zu Demonstration und Kundgebung aufgerufen. Knapp 7000 Streikende und Aktive der Frauenbewegung versammelten sich auf dem Marktplatz in Stuttgart, 3000 mehr als letztes Jahr. Nicht nur der Sozial- und Erziehungsdienst streikte, auch die Beschäftigten der Krankenhäuser und der Verwaltung.
Christine Behle, ver.di Verhandlungsführerin und stellvertretende Bundesvorsitzende verurteilte in ihrer Kundgebungsrede in Stuttgart die Angriffe auf das Streikrecht: „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie zwei Jahre Inflation die mühsam über Jahre und Jahrzehnte erkämpften Verbesserungen bei der Bezahlung von Frauen entwerten. Heute am Frauentag kämpfen im ganzen Land Kolleginnen und Kollegen aus sozialen Berufen zusammen für eine gerechte und faire Entlohnung im öffentlichen Dienst. Die Versuche der Arbeitgeber, die Arbeitsniederlegungen als politischen Streik in Frage zu stellen, sind eine Grenzüberschreitung: der heutige Warnstreik am Frauentag ist hundertprozentig legal und zweihundertprozentig legitim.“
Mit einer Aktion vor dem Rathaus wurde die Bedeutung der Streiks am Frauentag zum Ausdruck gebracht: „Wenn wir streiken, steht die Welt still“ – das war die Botschaft auf einer 45 Meter langen Folie – gemeinsam erstellt aus tausenden lila Quadraten, die die Frauen aufgeklebt haben. Auf der Stuttgarter Königstraße wurde auf Schildern an Kleiderbügeln das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und damit verbunden die Abschaffung des §218 eingefordert.
Doch auch diesen 8. März – wie bereits im letzten Jahr – war die Polizeipräsenz hoch. Schon ab Mittag fing die Polizei mit Schikanen gegen Aktivistinnen an. Bei einer Stadtverschönerung, die im Vorfeld der Kundgebung die Demoroute und das Stadtbild feministisch prägen sollte, wurden Frauen von der Polizei mehrfach aufgehalten, kontrolliert und durchsucht. Mehrere Aktivistinnen bekamen einen Platzverweis für den gesamten City-Ring und wurden damit von der Demonstration ausgeschlossen. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie lila Tücher, Pro-Choice-Absperrband und Schilder rund um die Demoroute angebracht und Statuen mit Haushaltsgegenstände umdekoriert haben. Mit letzterem sollte auf die hauptsächlich von Frauen geleistete unbezahlte Hausarbeit aufmerksam gemacht werden. Mit den Schikanen und Platzverweisen werden die Angriffe auf die Frauenbewegung fortgesetzt, die 2022 am Frauentag begann und zu mehreren Prozesse und Verurteilungen führte.
In Stuttgart war es die größte Frauentags-Demonstration seit Jahrzehnten. Ermutigend war die große Beteiligung an den Streiks, verleihen sie doch diesem Tag eine besondere Bedeutung. Der 8. März hat gezeigt, wenn zusammengeht, was zusammengehört, wächst die Stärke der Frauenbewegung.