Auch schon vor Corona stand die Weltwirtschaft vor einer neuen Rezession. Spätestens seit Herbst 2019. Nicht Corona ist die Ursache der Krise, die Pandemie verschärft die kapitalistische Krise nur. Seit 2018 schon gibt es insbesondere auch in Deutschland bei der Autoherstellung einen absoluten Rückgang, der sich in den ersten Wochen von 2020 beschleunigte. Da die Autoindustrie der wichtigste Industriezweig ist, zieht er auch die gesamte andere Industrie mit nach unten.
Anfang Januar 2020 war die Weltautoproduktion gegenüber dem vorausgegangenen Höchststand bereits um knapp 9 Prozent niedriger. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf eine typische zyklische Überproduktionskrise. Dazu kommt, dass etliche Autofirmen ziemlich angeschlagen sind wegen des Dieselbetrugs, der Milliarden gekostet hat. Außerdem steht eine große Umstrukturierung hin zu Elektroautos an, die als Reaktion auf die Klimakrise eingeleitet wurde, zwar keine Verbesserung für die Umwelt bringen wird, aber natürlich viele Milliarden Investitionen verschlingt.
Geht es um Schutz der Beschäftigten?
Nun stehen erst mal seit Mitte März für einige Wochen viele Räder in der Autoindustrie und bei Zulieferern still: Volkswagen, Audi, Ford, Opel, Daimler, Porsche, Autozulieferer Mahle, Continental, ZF und Bosch und viele andere. Gerne begründet als Schutzmaßnahme für die Beschäftigten gegen das Coronavirus. So steht zum Beispiel in der Daimler-Info an die Beschäftigten: „Mit dieser Maßnahme leistet das Unternehmen seinen Beitrag, die Belegschaft zu schützen, Infektionsketten zu unterbrechen und die Ausbreitung dieser Pandemie einzudämmen.“ Dort steht aber auch, dass neben dem Notbetrieb (was nachvollziehbar ist) auch bei wichtigen Anlaufthemen, im Kundenservice und zur Sicherstellung internationaler Lieferketten weitergearbeitet wird. Das lässt schon Zweifel aufkommen, wie ernst es den Vorständen mit dem Schutz der Beschäftigten ist, wenn Lieferketten sicherzustellen wichtiger als die Gesundheit ist.
Seit Wochen schon verbreitet sich das Virus in Deutschland, am 11. März wurde offiziell eine Pandemie ausgerufen. Trotz dieser Gefahr wurde erst mal voll weiterproduziert. Dies zeigt, wie wichtig den Kapitalisten die Gesundheit der Beschäftigten ist. Auch das Beispiel Daimler in Rastatt zeigt dies. Dort konnten Kollegen, die im Elsass wohnen und in Rastatt arbeiten, auch nach der Einstufung des Elsass als Risikogebiet durch das Robert-Koch-Institut weiterhin an ihrem Arbeitsplatz arbeiten, bis sich andere Kollegen an die Medien wandten und dies anprangerten.
Solange es in der Autoindustrie genügend Fahrzeugteile gab, lief die Produktion weiter. Doch diese zu besorgen, wurde aufgrund der globalisierten Auto- und Zulieferindustrie immer schwieriger. Die Produktion kam immer häufiger ins Stocken. Teile fehlten, insbesondere auch Teile aus China. Erst ab diesem Zeitpunkt kamen erste Schließungen von Autofirmen. Dies hat auch die Zulieferer betroffen. Sie schließen aber auch mit aus dem Grund, weil die Abnehmer ihrer Teile – also die Autofabriken – schließen. Ganz anders zum Beispiel im Maschinenbau. Coperion hat einen extrem hohen Auftragsbestand. Dort wird in Stuttgart komplett weitergearbeitet, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen, obwohl der Betriebsrat darauf drängt zu schließen.
Wer zahlt?
Nun wurden die Kolleginnen und Kollegen von vielen Autofirmen erst mal nach Hause geschickt. Die meisten empfinden es als eine deutliche Entlastung, waren sie doch beständig der Ansteckungsgefahr ausgesetzt, da an den Arbeitsplätzen, in den Kantinen, auf dem Weg zur Arbeit in den öffentlichen Verkehrsmitteln der notwendige Abstand nicht eingehalten werden konnte. Und nicht nur sie waren in Gefahr, auch ihre Familien. Doch die finanziellen Einbußen drücken auch die Stimmung. So müssen in vielen Betrieben für die ersten zwei Wochen Urlaub, Gleitzeit oder Freischichten eingebracht werden. Dies hat seinen Grund darin, dass keine Kurzarbeit beantragt werden kann, wenn noch zu viel Urlaub zur Verfügung steht. Trotzdem bedeutet dies natürlich erst mal, dass die Beschäftigten mit ihren freien Tagen für die Schließung bezahlen. Voraussichtlich wird nach diesen zwei Wochen in Kurzarbeit gegangen.
In den letzten Monaten nutzten bereits viele Unternehmen das Instrument der Kurzarbeit, um so die Auswirkungen der Krise abzufedern. Vor drei Monaten lag der Anteil der Unternehmen, die das Instrument nutzten, in der gesamten Industrie mit 8,4 Prozent so hoch wie zuletzt 2010 – im Nachgang der Finanzkrise. Der Anteil dürfte seither noch deutlich gewachsen sein und wird in den kommenden Monaten nochmals extrem ansteigen. Die Anträge auf Kurzarbeit gingen aber bereits „durch die Decke“, sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor einigen Tagen. In den kommenden Wochen und Monaten wird mit über 2 bis 3 Millionen Kurzarbeitenden gerechnet. Dies wären mehr als in der letzten Krise 2008/2009 mit knapp 1,5 Millionen.
Was ist jetzt notwendig?
Das Kurzarbeitergeld der Agentur für Arbeit beträgt zwischen 60 und 67 Prozent (mit Kindern) des ausgefallenen Nettoentgelts. Das ist nicht viel und reicht nicht, um über die Runden zu kommen. Es gibt zwar in etlichen Branchen und Bezirken Tarifverträge, die die Arbeitgeber verpflichten, einen Zuschuss zum staatlichen Kurzarbeitergeld zu zahlen, so dass die Beschäftigten zwischen 75 und 97 Prozent des Nettogehalts erhalten. Allerdings kommt nur eine Minderheit der Tarifbeschäftigten in diesen Genuss. Umso wichtiger wäre eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für alle auf mindestens 90 Prozent, noch besser eine Freistellung für alle bei Lohnfortzahlung. Denn das Kurzarbeitergeld zahlen letztendlich die Beschäftigten über Steuern und Sozialabgaben selbst.
Wichtig wäre in der jetzigen Situation ein gesellschaftlicher Plan: Schließung aller Betriebe, die nicht für lebensnotwendige Versorgungsabläufe gebraucht werden. Dafür die Produktion von Schutzkleidung, Medikamenten und so weiter ausbauen, die gesellschaftlich notwendigen Dienstleistungen wie Pflege, Transport, Lebensmittelproduktion und -handel stärken und für die noch Beschäftigten die bestmöglichen Schutzausrüstungen bereitstellen. Alle Entlassungen müssen verhindert werden. Im Mittelpunkt muss die Gesundheit stehen und nicht Aktienkurse und Profite.
Christa Hourani