Prozesse in Stuttgart gegen Antifaschisten gehen weiter
Anti-Repressions-Kolumne vom Henning von Stoltzenberg
UZ vom 21. Januar 2022
 
Keine Entwarnung für die linke Bewegung in Stuttgart. Nachdem bereits Findus, Jo und Dy zu Haftstrafen im Zuge antifaschistischer Aktionen verurteilt wurden, ist nun auch der Genosse Chris von einer mehrmonatigen Haftstrafe bedroht. Den Ausgangspunkt bilden Aktionen rund um den traditionellen Silvesterspaziergang an der besonders berüchtigten Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim vor drei Jahren. Erstinstanzlich wurde Chris zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Der Tatvorwurf ist Landfriedensbruch, eine der Lieblingsbezichtigungen der Repressionsbehörden. Eine vermeintliche Straftat aus einer Menge heraus ist immer willkommen, um die Unsrigen mit Verfahren zu überziehen. Mit der Knaststrafe versuchen die Behörden, einen weiteren Aktivisten mundtot zu machen, zumindest für eine gewisse Zeit. Doch das passiert natürlich nicht ohne Widerstand der linken Bewegung in Stuttgart und seiner solidarischen Verteidigung. Der Berufungstermin Ende Januar wurde jetzt verschoben, das verschafft Zeit, um weiteren Protest gegen die Klassenjustiz zu entwickeln.
Die Kriminalisierung von Chris hat wie so oft eine längere Geschichte. Vor rund zehn Jahren saß er bereits mehrere Monate für eine Bühnenbesetzung bei einer rechtspopulistischen Veranstaltung und eine körperliche Auseinandersetzung mit Teilnehmenden im Gefängnis. Danach folgten weitere Verfahren und Bewährungsstrafen für Proteste gegen eine AfD-Veranstaltung im Jahr 2016. Auch eine Hausbesetzung in Stuttgart, die große Wellen schlug und die Wohnungsfrage zur öffentlichen Debatte stellt, wurde ihm zur Last gelegt. In der Hauptstadt Baden-Württembergs ist es so wie vielerorts: Die Strafverfolgung trifft immer die Gleichen in der Hoffnung, ihren Widerstand zu brechen. Gerade da, wo Protestformen über die erkämpften Zugeständnisse der Herrschenden hinausgehen, wird alles versucht, werden sie mit Repression überschüttet. Die polizeilichen Führungszeugnisse derjenigen, die eine langjährige politische Praxis haben, werden gefüllt mit den Klassikern „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“, „Landfriedensbruch“ und „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“.
In Chris‘ Fall kommen zu dem Verfahren erschwerend zwei weitere hinzu. Die Staatsanwaltschaft möchte außerdem eine Verurteilung für die Teilnahme an einer antifaschistischen Demonstration zum rassistischen Terroranschlag in Hanau und an einer Auseinandersetzung mit Nazis der „Identitären Bewegung“ am Rande einer Querdenken-Kundgebung im Mai 2020 erwirken.
Das Solidaritätsbündnis für Chris „Nicht das Ende der Fahnenstange – Solidarität und Weitermachen!“ hat einen offensiven Umgang mit den repressiven Angriffen und drückt es folgendermaßen aus: „Da das Aufgeben politischer Positionen und einer selbstbestimmten politischen Praxis keine Option ist, müssen wir einen Umgang mit staatlicher Repression finden. Zusammenhalt und ein organisierter Umgang mit den Angriffen hilft im Umgang mit den erwartbaren Strafen. So wird der Knast nicht zum Ende der Fahnenstange, sondern lediglich zu einem anderen Terrain im Kampf für eine bessere Perspektive, für eine solidarische Welt. Denn Gefängnisse liegen nicht auf einem anderen Planeten, sondern sind ein Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung, an dem dieselben Konfliktlinien zu Tage treten.“
Diese Annäherung sollten wir aufgreifen, sie ist richtig. Natürlich sollten Haftstrafen für Aktivistinnen und Aktivisten vermieden werden, aber nicht um jeden Preis. Um den rechten Vormarsch zu stoppen, braucht es kreativen und entschlossenen Widerstand. Und wenn sie einen von uns einsperren wollen oder es tatsächlich tun – Solidarität ohne Wenn und Aber!
 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 29. Oktober ruft die IGM zum Aktionstag „Fairwandel“ auf. Im Aufruf heißt es:
DAS FORDERN WIR VON DER KOMMENDEN BUNDESREGIERUNG:

  • Sichere Brücken in die Arbeitswelt von Morgen - keine Entlassungen in der Transformation!
  • Zukunftsfähige Arbeits- und Ausbildungsplätze - an unseren Standorten, in unseren Regionen. Klimaschutz geht nur mit guter Arbeit.
  • 500 Milliarden Euro öffentliche Zukunftsinvestitionen bis 2030.
  • Eine solidarische Finanzierung. Lasten und Kosten gerecht verteilen. Krisengewinner zur Kasse bitten!

Aber die Situation spitzt sich zu, alleine im Bereich der Automobilindustrie wollen die Unternehmer bis 2025 rund 178.000 Arbeitsplätze abbauen, dabei ist die Elektroindustrie und der Maschinenbau noch nicht berücksichtigt. Um Kosten zu sparen und so die Gewinne zu erhöhen wird unter dem Deckmantel der Transformation Arbeitsplatzverlagerung betrieben, in Länder in denen die Lohnkosten niedriger sind. ....

Metallinfo zum Download

Viereinhalb Jahre bzw. fünfeinhalb Jahre Haft für zwei junge Antifaschisten aufgrund eines reinen Indizienprozesses mit dem Vorwurf der „schweren Körperverletzung“ und des „schweren Landfriedensbruch“ – das ist ein maßloses Urteil – auch wenn die Staatsanwaltschaft noch härtere Strafen gefordert hatte! In Anbetracht der vielen milden Gerichtsurteile der letzten Zeit gegenüber rassistischen und faschistischen Straftätern – oftmals sogar auf Bewährung – lässt sich von nichts anderem als von politischer Justiz sprechen. Mit dem Hauptstoß gegen Antifas und Linke, um jeglichen Widerstand gegen die Rechtsentwicklung zu kriminalisieren, andere abzuschrecken und Bewegungen von unten im Keim zu ersticken.
Auch wenn der zur Verhandlung stehende Vorfall am Rande einer „Querdenker“-Demo beim Cannstatter Wasen als tätliche Auseinandersetzung mit Vertretern der faschistischen Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ durch Antifas bei vielen Linken zu einem kritischen Echo führte, und auch bei uns selbst keine große Zustimmung auslöste, - so bleibt dennoch über alle Spektren der Linken hinaus die Notwendigkeit einer uneingeschränkten Solidarität mit allen AntifaschistInnen!
Dies erfordert allerdings auch auf allen Seiten die Bereitschaft für ein gemeinsames solidarisch-kritisches Nachdenken über Form und Inhalt eines wirksamen Antifaschismus und effektiven Widerstands gegen die aktuelle Rechtsentwicklung in unserem Land!
Dabei ist eine richtige Analyse der gesellschaftlichen Ursachen und treibenden Kräfte hinter dieser Rechtsentwicklung entscheidend. Nach unserer Einschätzung sind es eben nicht in erster Linie die faschistischen Anhänger und Aktivisten, die die Wurzel des Übels sind, sondern die herrschende Klasse selbst, die Spitzen des Monopol- und Finanzkapitals.
Diese wollen im Interesse ihrer immer maßloseren Profitgier und Expansionsstrategien den zu erwartenden Widerstand in der Arbeiterklasse und den Mittelschichten niederhalten und die Gesellschaft in ihrem Interesse formieren! Die zunehmende Aggression nach außen geht einher mit Sozialabbau und Aggression nach innen.
Für dieses strategische Interesse des Monopolkapitals, das die Gesellschaft bis in die letzten Poren durchdringt, werden alle Ressourcen der Massenbeeinflussung, der Medien und des Staatsapparats mobilisiert! So ist es eben kein Wunder, wenn immer wieder neue Fakten über Verstrickungen von Geheimdiensten, Militärs, Polizisten und selbst Angehörigen der Justiz zu rechtsradikalen Zusammenhängen bekannt werden. Wenn der Vorsitzende Richter des Landgerichts Jo und Dy „ideologische Verblendung“ vorwarf, so zeigt das, wes Geistes Kind er ist. Die Forderung „Entnazifiziert den Staatsapparat!“ ist mehr als gerechtfertigt.
Vor diesem Hintergrund der herrschenden Interessenlage halten wir die Losung „Antifa bleibt Handarbeit“ für schwierig. Sie richtet den Hauptstoß gegen die einzelnen Anhänger der Nazis unten, anstatt gegen die Drahtzieher oben, gegen das Monopolkapital und seine geistigen Handlanger im Staatsapparat und in den Medien.
Das soll nicht heißen, dass wir als Antifaschisten uns nicht auch notfalls handgreiflich wehren müssen gegenüber Provokationen von Nazis, - dazu haben wir selbstverständlich das Recht. Vorrangig muss es uns aber um die politische und argumentative Gewinnung der Arbeiterklasse und der Bevölkerungsmehrheit gehen!
Wir müssen aus unserer Geschichte lernen und wir brauchen dringend einen solidarisch-kritischen Dialog unter allen Linken über die besten Methoden und Aktionsformen im Kampf gegen Rechts.
Wir von der DKP sind zu diesem Dialog bereit.

Konni, du engagierst dich mit großem Einsatz für die Friedensbewegung in Stuttgart. Sind Pandemie und Klimawandel nicht weitaus drängendere Probleme?

Im Unterschied zu Pandemie und Klimawandel werden Kriege bewusst geplant und durchgeführt. Die beiden letzten Weltkriege hat der deutsche Imperialismus vom Zaun gebrochen. Ein dritter könnte das Ende der Menschheit bedeuten. Wir müssen alles daran setzen, ihn zu verhindern! Wir müssen auch die für alle sichtbaren Kriegsvorbereitungen der Nato gegen Russland und die VR China stoppen. Wir benötigen dringend die Mittel zur Pandemie-Bekämpfung und gegen den Klimawandel, außerdem ist Militär der schlimmste Klima-Killer.

Was willst du als Kommunistin in der Friedensbewegung erreichen?

Wir brauchen eine deutlich größere und stärkere Friedensbewegung – Menschen, die für ihre Interessen kämpfen. Dazu möchte ich mit all meiner Kraft beitragen, und dazu dass die Friedens- und die Arbeiterbewegung sich verbinden. Über 50 Milliarden für die Rüstung, das ist ein asozialer Wahnsinn! Es ist wichtig, dass die Gewerkschaften sich mit der Friedensfrage und dem Antifaschismus weiter politisieren. Andererseits möchte ich dazu beitragen, dass mehr Menschen den Zusammenhang zwischen diesem Wirtschaftssystem und der wachsenden Kriegsgefahr erkennen. Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen, sagte Jean Jaures.

Die DKP spielt bei Wahlen eine untergeordnete Rolle. Ist die DKP deshalb unbedeutend?

Wenn die DKP unbedeutend wäre, hätte der Bundeswahlleiter nicht versucht, uns den Parteistatus zu entziehen. Sicherlich ist die DKP noch zu schwach, aber sie ist unverzichtbar. Schon allein wegen ihrer Losungen wie „Frieden mit Russland und der VR China“, die sie auf die Straße trägt. Aber auch, weil sie konsequent die Systemfrage stellt. Und die ist aktueller denn je. Die Krise heißt Kapitalismus. Mehr als jeder Zweite glaubt heute schon, dass der Kapitalismus mehr schadet als nutzt. Der Antikapitalismus bekommt eine Stimme durch die DKP. Das ist notwendig. Und nicht vergessen: Mehr Kommunisten braucht das Land!

 

Björn, die Pandemie und der Klimawandel etc. treffen angeblich alle. Was verraten uns Krisen über den Kapitalismus?

Regelmäßige Wirtschaftskrisen sind im Kapitalismus Alltag. Darüber beschleunigt dieses System seine eigene Entwicklung, auf Kosten der Mehrheit der Menschen. Daneben gibt es natürliche Erscheinungen, die bei unserem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung, sehr stark von menschlichem Handeln beeinflusst werden: Klima, Hochwasser oder eben Krankheiten. Im Umgang mit Corona zeigte sich, dass den angeblich so entwickelten Ländern der Welt die banalsten Mittel, wie etwa Schutzausrüstung, fehlten, weil die kapitalhörige Politik es schlichtweg zu teuer fand, für solche natürlichen Krisen vorzusorgen. Absolute Priorität für diese Politik haben die Interessen von Banken und Konzernen. Deshalb waren die Ziele der Pandemiebekämpfung nicht die Gesundheit und das Leben der Menschen, sondern die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitswesens. Impfstoffe werfen weiter Milliardenprofite für Konzerne ab und die Ideologie „Markt vor Staat“ hat die Pandemiebekämpfung teuer und schlecht gemacht. Die Folge ist, dass viele Menschen ihre Lebensgrundlage verloren haben, sich das Elend ausbreitet und die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung demokratische Rechte einschränken. Nicht das Virus ist die Krise, sondern der Kapitalismus!

Es ist zu befürchten, dass die Folgen der Pandemie nach der Bundestagswahl auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden. Was will die DKP dem entgegen setzen?

Die Folgen der Pandemie tragen wir doch schon seit langem. Während etwa der Lufthansa Milliarden hinterhergeworfen wurden und diese dann Stellen abbaut, sind kleine Selbstständige abgespeist worden. Das Kurzarbeitergeld zahlen die Arbeitenden aus ihren Sozialversicherungsbeiträgen. Für ein paar Monate im letzten Jahr gab es ja wenigstens das Almosen der Mehrwertsteuersenkung. Die Kapitalisten wären schlechte, würde sie nicht versuchen, uns diese Kosten zahlen zu lassen. Jetzt werden auch noch Arbeitszeitverlängerung und die Erhöhung des Renteneintrittalters erneut ins Spiel gebracht. Nur ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen, außerparlamentarischen Bewegungen, ... kann dem etwas entgegensetzen. Die DKP wird nach Kräften für diese Abwehrkämpfe mobilisieren, aber auch immer für die sozialistische Perspektive kämpfen.

In vielen tagespolitischen Forderungen stimmen wir mit anderen linken Kräften überein. Warum sollte jemand DKP wählen oder - besser noch - Mitglied werden?

Wer Frieden mit Russland und China will, wer demokratische Rechte verteidigen will, wer verhindern will, dass das Kapital uns weiter das Fell über die Ohren zieht, sollte mit uns kämpfen und DKP wählen.
Wer einen Ausweg aus dem Krisensystem Kapitalismus, will, findet in der DKP GenossInnen im Kampf für gesellschaftliches Eigentum, für eine geplante Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle – für Sozialismus.

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dieser Gedenkveranstaltung.

 

Heute ist der 76. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus in ganz Europa.
Am 8. Mai 1945 siegte die Anti-Hitler-Koalition über Nazi-Deutschland und beendete damit den vom deutschen Faschismus entfesselten 2. Weltkrieg.
Für Millionen Menschen kam dieser Tag zu spät.
Juden, Sinti und Roma, politische Gegner aus humanistischer, kommunistischer, sozialdemokratischer oder christlicher Überzeugung, Homosexuelle, Behinderte, sowjetische und polnische Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge aus ganz Europa waren bis dahin in den Vernichtungslagern der Nazis und von der Nazi-Justiz gequält und ermordet worden.
Befreiend war dieser Tag, nicht nur für die aus Konzentrations- und Vernichtungslagern befreiten Männer, Frauen und Kinder,
erlösend war er auch für unzählige Menschen, hier und in den von der deutschen Wehrmacht okkupierten Ländern, die aus Kellern und Bunkern hervor kriechen konnten, um nach ihren Lieben zu suchen oder sie wenigstens beerdigen zu können, die froh waren, das Inferno des Krieges überlebt zu haben.
Ich bin mir bewusst dass ich heute über Vorgänge aus unserer Geschichte rede, welche viele vergessen wollen, manche verdrängt und etliche nie gehört haben.
Die diesjährige Veranstaltungsreihe beginnt hier an einem Ort an dem die Justiz der Nazis während des II. Weltkrieges mehrere hundert Menschen aus nichtigen Gründen umbringen ließ. Im Hof dieses Gerichtes starben über 450 Menschen aus vielen Ländern Europas unter der immer wieder extra dafür aufgestellten Guillotine.
Zum Bedauern der Hinterbliebenen ist die hier an der Mauerkrone eingemeiselte Inschrift der einzige vage öffentliche Hinweis auf die hier im Hause stattgefundenen Verbrechen. Erst seit dem Jahr 2019, also 74 Jahre nach Kriegsende, gibt es wenigstens im Innern eine Dauerausstellung „NS-Jusiz in Stuttgart“.
Übertroffen wird diese Verniedlichung von Naziverbrechen für mich allerdings bei weitem durch das was ich beim Besuch der Hinrichtungsstätte meines Vaters in der so genannten Nachwendezeit im Zuchthaus Brandenburg-Görden erleben musste. In dieser, sich noch im Betrieb befindlichen JVA war es nur möglich, nach besonderer Anmeldung, die innerhalb liegende Gedenkstätte in Begleitung eines Betreuers zu besuchen.
Dort wurden bis Ende April 1945 1722 Nazi-Gegner umgebracht.
Vor der JVA kein Hinweis auf die Gedenkstätte mit dem noch vorhandenen Fallbeil. Dafür steht aber, an öffentlich zugänglicher Stelle vor dem Tor eine Tafel mit der Inschrift „Den Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft 1945 – 1989“.
Ich war empört über diese Art von Nicht-Aufarbeitung der Nazivergangenheit, zugunsten des aktuellen politischen Main-Streams.
Dazu ein weiteres Beispiel:
Alle in Stuttgart beteiligten Richter wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Spruchkammerverfahren entlastet oder als Mitläufer qualifiziert und machten abermals Karriere im Justizdienst. Die einzige Ausnahme war der zu 6 Jahren Zuchthaus verurteile Vorsitzende des hier ansässigen Sondergerichts, Hermann Cuhorst, unter dem über 200 Todesurteile verhängt und vollstreckt wurden. Aber schon 1950 wurde er unter der Adenauer-Regierung begnadigt .
Wir wissen, dass das was hier geschah nur einen kleinen, ja fast winzig kleinen Teil der Verbrechen umfasste, welche im Namen Deutschlands von den Nazis begangen wurden.
Manche der Opfer konnten es kaum fassen, warum und wofür sie umgebracht werden sollten. Viele verbanden aber auch ihren Tod mit der Hoffnung auf ein besseres Deutschland nach dem Ende der Nazi-Diktatur.
So schrieb mein Vater vor seiner Hinrichtung in einem letzten Brief an meine Mutter: „Wenn dann eine andere Zeit kommt, dann weißt Du ja, wohin Du Dich wenden musst und kannst sagen für was ich gefallen bin und es wird Dir bestimmt Hilfe“.
 Mehr als 55 Millionen Tote sind eine Bilanz, die alle bisherigen Dimensionen sprengt, weshalb dieser Tag nie vom bedeutsamsten Platz in der Skala unserer Erinnerungen verdrängt werden darf.
Die Überlebenden des KZs Buchenwald schworen am 19. April 1945 nach ihrer Befreiung auf dem Appellplatz des KZs:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig“
Dieser Erklärung folgte keine wie auch immer geartete Aufarbeitung. Im Gegenteil – schon wenige Jahre später wurden in der BRD Verfolgte des Naziregimes von dem, aus ehemaligen Nazis gebildeten sogenannten Verfassungsschutz beobachtet und von einer ohne Unterbrechung weiterbestehenden Justiz wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt.
Über den 8. Mai wissen viele Deutschen nichts“ stand vor einigen Jahren in den Stuttgarter Nachrichten.
Ja woran liegt das nur? Wer hat es ihnen verschwiegen? Die Schule? Die Medien? Die Politik? Und warum ist der Tag der Befreiung noch immer kein Feiertag?
Die 12 Jahre Naziherrschaft in Deutschland waren kein Betriebsunfall und erst recht kein Vogelschiss in der deutschen Geschichte. Hitlerdeutschland war nicht ein Unrechtsstaat wie jeder andere x-beliebige.
Der von den Nazis geplante und angefangene II. Weltkrieg mit zig Millionen Toten,
die systematische Liquidierung von über 6 Millionen Menschen in den Gasöfen der Vernichtungslager,
die gezielte Ausrottung von Hunderttausenden Andersdenkenden, Andersartigen oder Andersgläubigen,
sind das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit.
Deshalb kommt auch jeder Vergleich mit anderen Exzessen nur einer Verharmlosung des deutschen Faschismus gleich.
Als die Nazi-Justiz meinen Vater und seinen Freund Max Wagner zum Tode verurteilte, erhielten wir die Todesnachricht mit dem Vermerk „Die Veröffentlichung einer Traueranzeige ist nicht erlaubt“.
Für mich, den damals 12-jährigen Jungen war dies der endgültige Offenbarungseid eines Regimes von Verbrechern.
Die deutsche Justiz aber, genauer gesagt die bundesdeutsche Justiz, hat nie die Konsequenzen aus ihren Untaten während der Naziherrschaft gezogen.
Kein einziger Nazi-Jurist, und auf das Konto der Nazijustiz gehen 60- bis 80-Tausend Todesurteile, wurde jemals von einem bundesdeutschen Gericht für seine Untaten belangt!
Dies aufzuarbeiten ist dringend notwendig, Gerade wir Deutschen dürfen es nicht dulden, dass nur dem Teil unserer Vergangenheit Beachtung geschenkt wird, der den in unserem Land Herrschenden genehm ist?
Die erste Schlussfolgerung an diesem Jahrestag kann nur heißen:
NIE WIEDER FASCHISMUS!
Als 9-jähriger Bub erlebte ich,wie in den Sondermeldungen im Radio am 22. Juni 1941 behauptet wurde, die deutsche Wehrmacht hätte. um einem plötzlichen russischen Angriff zuvorzukommen mit dem Einmarsch in die Sowjetunion begonnen.
Nachdem 1940 noch gesungen wurde: Siegreich wolln wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapferer Held, sang man im Radio jetzt: Von Finnland bis zu Schwarzen Meer, vorwärts nach Osten du stürmend Heer - Führer befiehl wir folgen dir.
Seit diesem Sommer 1941, also seit nunmehr bald 80 Jahren, beginnend mit den Nazis, behaupten die jeweils Regierenden hierzulande, die Russen würden bei uns bedrohen und wollten bei uns einmarschieren.
Mit dieser Begründung wurde die Bundeswehr geschaffen, ging man in die NATO, führte als Teil dieser Nato einen Angriffskrieg auf das damalige Rest-Jugoslawien, obwohl unser Grundgesetz genau einen solchen ausdrücklich verbietet.
Die Gefahr, dass die militärische Umzingelung Russlands und Chinas und das Kriegsgeschrei der Nato zu einem neuen Krieg führen kann, steigt von Tag zu Tag.
Kriege brechen nicht aus, etwa wie ein Vulkan ausbricht. Man schliddert auch nicht nur so mal hinein, sondern Kriege werden geplant und sie werden aus meist durchsichtigen Gründen planmäßig angefangen, und Menschen kommen darin nicht einfach nur um, sie werden vorsätzlich umgebracht
Der erste Weltkrieg war schon lange vorbereitet als die Schüsse in Sarajewo fielen. Hitler hatte seinen Krieg schon mit dem Eingreifen der Legion Condor in Spanien, der Annektierung Österreichs und der Besetzung der Tschechoslowakei - übrigends mit Duldung der Westmächte, und lange vor dem angeblichen polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz geplant.
Der von den USA ausgelöste Tonking-Zwischenfall vor Vietnam, die angeblich aus Brutkästen gerissenen Kinder in Kuweit, die erfundenen Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein,
die Kriegslügen reihen sich aneinander wie Perlen an einer Schnur.
Seit mehr als 70 Jahren gilt bei uns nun das Grundgesetz. Darin steht: Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
Da fragt man sich, in welchem Gesetz die Strafe für das Führen eines Krieges festgelegt ist, wenn schon die Vorbereitung strafbar sein soll.
Alle Regierungen, welche die BRD je hatte haben bisher diesen Verfassungs-Auftrag ignoriert.
Und das Bundesverfassungsgericht hat nie einen Termin für ein solches Gestz verlangt. Für das Verbot der KPD, in der viele der Naziopfer organisiert waren, und die konsequent gegen die Wiederaufrüstung kämpfte, war es allerdings der Regierung Adenauer schon zu Diensten.
Die zweite Forderung an diesem Tag ist deshalb:
NIE WIEDER KRIEG !
Die Verbrechen des deutschen Faschismus, seine Ideologie der Vernichtung seiner politischen Gegner, der Liquidierung Andersrassischer, der Versklavung so genannter Untermenschen und der Entfesselung eines Weltkrieges mit dem Ziel des Sieges der sich selbst ernannten Herrenmenschen, dürfen nicht länger bagatellisiert und mit dem Mantel des Vergessens zugedeckt werden.
Als Sohn eines von der Nazi-Justiz zum Tode verurteilten und hingerichteten Widerstandskämpfers, dem das Andenken an seinen Vater Verpflichtung ist, komme ich nicht umhin festzustellen, dass nicht nur die Rolle der deutschen Justiz bei den Verbrechen der Nazis immer ausgeblendet, sondern der politische Widerstand dagegen immer stärker kriminalisiert wird, um so Rechts und Links gleich zu setzen.
Dies unter dem Begriff des Extremismus zu verstecken, wirkt, bezogen auf den deutschen Faschismus und dessen Geisteshaltung, nicht anders als verharmlosend.
Faschismus war und ist keine Meinung, und schon gar keine auf die man einen Rechtsanspruch hat,
Faschismus – und das hat er mit den 55 Millionen Toten bewiesen – ist das organisierte Verbrechen.
Dies ist mit nichts Anderem vergleichbar!
Und seine Protagonisten waren, sind und bleiben Verbrecher.
Die Erinnerung daran wurde so gut wie nie von Regierungen oder Parlamenten betrieben oder aufrechterhalten, sondern blieb Einzelinitiativen überlassen.
Und die mussten immer darum kämpfen.
Das war so beim Mahnmal am Alten Schloss,
bei der Inschrift hier am Landgericht
bei den Stolpersteinen,
beim Deserteursdenkmal
und beim Hotel Silber.
Der größte deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts, Berthold Brecht,schrieb 1952:
Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!“
Wir mahnen hier und heute, an diesem 8. Mai:
den in den Öfen von Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern verbrannten Menschen,
den massakrierten Geiselopfern von Sant’Anna di Stazzema in Italien,
um nur eines von Hunderten Massakern der Nazi-Wehrmacht zu nennen,
den in der Atomhölle von Hiroshima zerschmolzenen Frauen, Kindern, Greisen,
den europaweit wegen ihres Widerstands gegen den Faschismus Ermordeten aus allen Ländern,
können wir nur gerecht werden,
 wenn wir lauter als je zuvor,
immer und überall in unserem Land sagen und verlangen:
Nie mehr und nirgendwo - weder Faschismus noch Krieg