Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke Nr 69 vom Oktober 2018 
Aus dem Inhalt:
- Zur Bewegung der „Gelbwesten“ in Frankreich;
- Streik macht Druck! Unerwartete Erfolge im Kampf gegen den Pflegenotstand”: “Die Tarifkämpfe in der Charité und im Saarland, die wochenlangen Streiks an den Unikliniken Düsseldorf und Essen, die bundesweite verdi-Kampagne “Entlastung”, zahlreiche Brandbriefe, Interviews, Demos und Aktionen und nicht zuletzt die Volksbegehren für mehr Krankenhauspersonal in Hamburg, Berlin, Bayern und Saarland haben die große Koalition zum Handeln gezwungen…”;
- 100 Jahre 8-Stundentag – eine wichtige Errungenschaft der Novemberrevolution (In Stuttgart wurde der 7-Stundentag gefordert);
- Streikkonferenz: Aus unseren Kämpfen lernen – 15. bis 17. Februar in Braunschweig;
- Solidarität mit den brasilianischen Kolleginnen und Kollegen

 Netzwerk-Info I Nr 70 vom Dezember 2018

 

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 24. September 2018 in AUSDRUCK

Seit einiger Zeit macht sich die Bundeswehr daran, konkret auszubuchstabieren, was der vom Zaun gebrochene Neue Kalte Krieg mit Russland für die Struktur, Bewaffnung und nicht zuletzt die Finanzierung der Truppe bedeutet – oder zumindest, was daraus  abgeleitet ganz oben auf ihrer Wunschliste steht. Als wichtigstes Planungsdokument hierfür fungiert das in weiten Teilen geheim gehaltene „Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“ (Fäpro), das Anfang September 2018 von Generalinspekteur Zorn unterzeichnet wurde.

Vorarbeiten: Bühler-Papier und Konzeption der Bundeswehr

Den Anfang machten im April 2017 die „Vorläufigen konzeptionellen Vorgaben für das künftige Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“, das sogenannte Bühler-Papier. Darin waren bereits erste Grundzüge eines Umbaus der Bundeswehr-Divisionen entlang der „Erfordernisse“ des Neuen Kalten Krieges zu erkennen, wie seinerzeit die FAZ (19.4.2017) nüchtern kommentierte: „Damit würden die Divisionen wieder die klassische Struktur aus der Zeit vor 1990 einnehmen.“

In der darauf folgenden „Konzeption der Bundeswehr“, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 20. Juli 2018 unterzeichnete, wurde dann auch offiziell die Landes- bzw. Bündnisverteidigung – also die Auseinandersetzungen mit Russland – als Fokus der künftigen (Rüstungs-)Bemühungen auserkoren (gleichzeitig wurde aber betont, dass man auch weiter weltweit interventionsfähig bleiben wolle): „Die Bundeswehr muss […] in der Lage sein, zur kollektiven Bündnisverteidigung in allen Dimensionen mit kurzem Vorlauf, mit umfassenden Fähigkeiten bis hin zu kampfkräftigen Großverbänden innerhalb und auch am Rande des Bündnisgebietes eingesetzt zu werden.“

Rüstungsstufenplan

Das Fäpro visiert einen dreistufigen Umbau der Bundeswehr an – der erste „Meilenstein“ soll 2023 bewätigt sein. Zu diesem Zeitpunkt wird beabsichtigt, ein Brigadeäquivalent – also etwa 5.000 Soldaten (unter Berücksichtigung von Rotations- und Ruhezeiten noch einmal deutlich mehr) – mit voller Bewaffnung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung aller anderen „Verpflichtungen“ (zB für die EU-Kampftruppen) in die NATO einbringen zu können. Der zweite Schritt soll dann 2027 folgen, da will die Bundeswehr dann bereits eine Division (knapp 20.000 Soldaten) beisteuern. Das Ende des im Fäpro beschriebenen Planungshorizontes ist schließlich 2031 erreicht, von da ab sollen alle Teilstreitkräfte für einen Krieg mit Russland gerüstet sein: Drei Divisionen (Heer), vier gemischte Einsatzverbände (Luftwaffe), 25 Kampfschiffe (davon elf Fregatten) und 8 U-Boote (Marine) sowie Kapazitäten zur Erlangung der Hoheit im Informationsraum (Cyberkommando) will die Bundeswehr bis dahin am Start haben.

Personalbedarf

Auch am Umfang der Truppe soll gedreht werden: Die Bundeswehr soll von aktuell knapp 180.000 Soldaten bis 2023 auf 198.000 Soldaten anwachsen. Allerdings macht sich aktuell unter Brancheninsidern Skepsis breit, ob dieses Ziel erreicht werden kann: „Wir haben keinen Anlass, von unserer Einschätzung abzurücken, dass die Trendwende Personal gescheitert ist: Der Elefant im politischen Raum ist die demographische Entwicklung. Unter den Brücken von Berlin spricht man leise über andere Umfangszahlen.“ (griephan Briefe Nr. 28/2018) Aufgrund der bereits heute existierenden Rekrutierungsprobleme, denen die Truppe mit ihren massiven Werbeanstrengungen begegnet, dürfte sich in diesem Bereich in den nächsten Jahren so einiges tun. Zumal, wenn man berücksichtigt, dass der Personalbedarf sich für die spätere Aufstellung der anvisierten Divisionen noch einmal deutlich erhöhen dürfte.

Was aus all dem in jedem Fall klar wird – und daran lässt das Fähigkeitsprofil keinerlei Zweifel aufkommen: die Umsetzung dieser Pläne wird eine Menge Geld kosten.

Die Rechnung für den Kalten Krieg

Schon vor einiger Zeit kündigte Verteidigungsministerin von der Leyen an, der Militärhaushalt solle bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen. Bereits im Mai 2018 tauchten in einem Papier der Bundeswehr-Universität erste Zahlen auf, was das konkret für die Haushalte der nächsten Jahre bedeuten würde, die nun weitgehend vom Fähigkeitsprofil übernommen wurden.

Die Tatsache, dass der Bundeswehr-Etat bereits rasant von 24,3 Mrd. (1999) auf 38,5 Mrd. (2018) auch inflationsbereinigt kräftig zulegte, verblasst geradezu gegenüber dem, was im Fäpro für die kommenden Jahre anvisiert wird. Ausgehend vom bereits vorhandenen Haushaltsansatz 2019 (42,9 Mrd.) sollen saftige jährliche Erhöhungen schließlich in einen Haushalt münden, der 2024 satte 57,91 Mrd. Euro (nach NATO-Kriterien sogar etwas über 62 Mrd. Euro) umfassen soll – etwa 135 Prozent mehr als noch 1999!

Was die Einzelposten anbelangt, sollen vor allem die Bereiche Rüstungsinvestitionen und Materialerhaltung profitieren – von 8,16 Mrd. Euro (2019) sollen sie auf 17,33 Mrd. Euro (2025) ansteigen.

Handlungsdruck für die Wunschliste

Natürlich ist das Fähigkeitsprofil eine Art Wunschliste des Verteidigungsministeriums, insbesondere die Finanzausstattung der Truppe ist schließlich Sache des Parlaments. Und ja, aktuell ziert sich die SPD noch, Ausgabensteigerungen in diesem drastischen Umfang zuzustimmen. Und wohl genau deshalb sprang Kanzlerin Angela Merkel ihrer Verteidigungsministerin schnell bei und stellte sich ebenfalls hinter das 1,5 Prozent-Ziel, das dann auf dem NATO-Gipfel im Juli 2018 auch offiziell als deutsche Zusage in deutlich konkreterer Form als frühere Absichtserklärungen angezeigt wurde.

Zu diesem Vorgehen kritisierte auch der Grüne Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner: „Zusagen an die NATO zu treffen, die zu Ausgabensteigerungen im zweistelligen Milliardenbereich führen, ohne diese wirklich darzulegen, oder zu diskutieren, ist problematisch. Die zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge der Organisation der Streitkräfte ergeben sich laut Grundgesetz aus dem Haushaltsplan, der durch das Parlament festgelegt wird.“ (Newsletter Verteidigung, 36/2018)

Dadurch wurde wohl bewusst eine Verpflichtung eingegangen, die es den Sozialdemokraten schwer machen soll, diesbezügliche Bestrebungen abzulehnen – und durch besonderen Widerstandswillen in Sachen Aufrüstung sind sie ja ohnehin seit Langem nicht wirklich aufgefallen. Damit das gerade auch angesichts einer durchaus rüstungsskeptischen Bevölkerung auch so bleibt, möchte die Bundeswehr nach Möglichkeit jede öffentliche Diskussion über ihre Pläne vermeiden.

Rüsten, nicht reden!

Seit Jahren beklagen sich Bundeswehr und Sicherheitsestablishment über das angeblich mangelnde Interesse der Öffentlichkeit für militärische Fragen. Insofern ist es doppelt zynisch, dass das Fähigkeitsprofil als „VS – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft wurde, es darf also nicht daraus zitiert werden (obwohl Teile des Inhaltes gleich an befreundete Zeitungen durchgeschossen wurden). Da passt es ins Bild, dass mit dem Schreiben, in dem Staatssekretär Benedikt Zimmer die Abgeordneten auf den Geheimhaltungsstatus des Papiers hinwies, er auch gleichzeitig betonte, mit dem Fähigkeitsprofil ergebe sich ein „transparentes und nachvollziehbares Gesamtbild der Bedarfe der Bundeswehr.“

Der Vogel wurde aber mit drei Anlagen zum Fäpro abgeschossen, in denen – mutmaßlich – eine detaillierte Aufstellung der Rüstungsprojekte mitsamt ihrer Kosten bis zur ersten „Ausbaustufe“ 2023 sowie die zwischen 2024 und 2031 anvisierten Projekte enthalten sein sollen. Die Anlagen sind als „geheim“ eingestuft, Abgeordnete dürfen sie nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages einsehen, sich keine Notizen darüber machen und auch nicht darüber reden. Augenscheinlich möchte man vermeiden, dass es zu einer Debatte über den Sinn bzw. Unsinn eines derartigen Fähigkeitsprofils kommt. Dieses Bestreben ist – zumindest wenn man versucht, die Sache aus der Warte der Bundeswehr zu betrachten – durchaus nachvollziehbar. Schließlich bedeuten ihre unverschämten Forderungen angesichts der schwarzen Null ja zwangsläufig, dass dieses Geld an anderen dringend benötigten Stellen fehlen wird.

 

PDF-Artikel im AUSDRUCK (Oktober 2018)

Ganze Ausgabe des AUSDRUCK (Oktober 2018)

Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke Nr 69 vom Oktober 2018 
Aus dem Inhalt:

  • Mehr Personal und Entlastung für alle! – ein Bericht vom Streik am Uniklinikum Essen.Seit Ende Juni haben an den Unikliniken Düsseldorf und Essen hunderte Beschäftigte gestreikt. Ende August haben sie ihren Streik mit einem Teilerfolg beendet. Alexandra Willer vom Uniklinikum Essen berichtet über Hintergründe und Verlauf des Streiks…”;
  • Urteil gegen Streikrecht. Dr. Rolf Geffken, Anwalt für Arbeits- und Wirtschaftsrecht zu Prämien für Streikbrecher;
  • Österreich – Frontalangriffe auf Arbeitsrechte.Seit der Vereinbarung des Regierungsprogramms zwischen Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ) im Dezember 2017 war klar, dass neben den vielen ausländerfeindlichen Vorhaben vor allem der Angriff auf Arbeitsrechte im Zentrum der zukünftigen Politik stehen. Damit erfüllte Sebastian Kurz (ÖVP) die Forderungen der Unternehmer, die ihn im Wahlkampf mit erheblichen Mitteln unterstützt hatten…”;
  • Langer und heftiger Arbeitskampf bei Halberg-Guss.Seit Mitte Juni gibt es heftige Auseinandersetzungen beim Autozulieferer Halberg Guss in Leipzig und Saarbrücken. Grund war die Ankündigung von Seiten des Eigentümers, das Werk in Leipzig mit knapp 700 Beschäftigten Ende 2019 komplett zu schließen sowie 300 von 1.500 Stellen im Saarland zu streichen. Die Antwort der Belegschaften: Von Mitte Juni bis Ende Juli – insgesamt ca. 6 Wochen – wurde die gesamte Produktion in Leipzig und Saarbrücken lahmgelegt. 2200 Beschäftigte traten Mitte Juni in den unbefristeten Streik. Ab August gab es Schlichtungsverhandlungen. Mitte September hat die Kapitalseite die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Der Kampf geht weiter…”


     Netzwerk-Info I Nr 69 vom Oktober 2018

 

Aus dem Inhalt: “Französische Bahnbeschäftigte kämpfen an vorderster Front. Die Agenda der Herrschenden in Frankreich ist klar umrissen: Die Anlagemöglichkeiten für das Kapital sollen auf zwei Ebenen dramatisch verbessert werden: Die Privatisierungen sollen drastisch vorangetrieben und die Arbeitsbedingungen (Löhne und soziale Sicherungssysteme) gravierend eingeschränkt werden. Aber dies stößt auf Widerstand. (…) Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich unter den Kolleg*innen eine ganz beachtliche Bereitschaft zur Selbstorganisation und zu eigenständiger Kampfführung. So haben in diversen Bereichen die Streikenden seit einigen Wochen begonnen, entgegen den Vorgaben der Gewerkschaftsführung ihren Streik nicht immer wieder auszusetzen, sondern ihn nach eigener Planung zu gestalten, was es vor allem der Gegenseite erschwert, die Auswirkungen mit Streikbrecheraktionen oder Versetzungen zu unterlaufen… und: “Politik versagt – Protest gefragt. Derzeit verhandeln die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) über die Ausgestaltung einer Gesetzesvorlage, in der es um die personelle Ausstattung von Krankenhäusern gehen soll. Im Saarland hat am 30.5. die Regierung den neuen Krankenhausplan vorgestellt. Gesundheitsminister Jens Spahn hat ein Eckpunktepapier für ein “Sofortprogramm” veröffentlicht. Dass sich die Verantwortlichen in Bund und Ländern jetzt gezwungen sehen, Vorschläge zu machen, ist ein Erfolg der bisherigen Bewegung. Generell zeichnet sich ab, dass die bisherigen Pläne keine spürbaren Verbesserungen schaffen…
Weitere Themen: 21. Ordentlicher Bundeskongress des DGB: Statt Offensive nur Appelle; Hartz IV wird kleingerechnet; 2. Mai 1933: Niemals wieder…;

Netzwerk Info 68

In der 67. Ausgabe sind zahlreiche interessante Beiträge u.a.  zu den Tarifabschlüssen im Öffentlichen Dienst und in der Metall- und Elektrobranche zu finden.

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